last berry standing - Cooke Kinic 25mm f/1,5

Heute habe ich meine ersten Vintage-Makro-Versuche mit dem Cooke Kinic machen können. Ich bin ganz neu im Thema und freue mich über Tipps und Hinweise.

Ich vermute, dass es sich hier um die letzte Frucht eines Maiglöckchen-Fruchtstands handelt. Da es nass war glänzt die Beere. Ob das bei diesem Licht Vor- oder Nachteile bringt, kann ich gerade nicht einschätzen.

ABM etwa 1:4, f/1,5, etwa 10% Beschnitt, Aufhellung durch Flächenleuchte

Kommentarbereich

Profile picture for user Ingo Heymer
Makronist

Lieber Rob,

du weißt es noch nicht, aber dein Foto-Leben wird sich ändern. Das ist wie in der Geschichte mit dem Apfel in dem dicken, alten Buch. Sowie du ein Vintage-Objektiv draufgeschraubt hast, wirst du aus dem klassischen Makro-Paradies vertrieben. Du kannst zwar zurückkehren, aber es wird nie wieder so sein wie vorher. Witzigerweise habe ich gerade vor ein paar Tagen an die Geschichte gedacht und zu meiner Frau gesagt: Ich würde immer in den Apfel vom Baum der Erkenntnis beißen. Hoffentlich muss ich dafür nicht in der Hölle schmoren! Das wünsche ich dir auch!

Bildbetrachtung können andere besser, da halte ich mich raus, bis ich es besser drauf habe. Aber willkommen im Club, bin gespannt, was dein Zentralhirn aus den neuen optischen Möglichkeiten macht ;-)

Herzliche Grüße!

Ingo

 

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Makronist

Lieber Ingo,

danke für deinen Kommentar! Ich glaube du hast Recht! Es gibt wohl kein Zurück mehr ... ;-)

Momentan macht mein Hirn aber noch wenig, da mir die Möglichkeiten noch unklar sind. Allerdings hoffe ich nicht, dass der normale Makrobereich, ganz in den Hintergrund rückt. Mein 65mm Laowa mit ABM 2:1 ohne Zwischenringe ist schon auch eine gute Partie und Facetten im Auge bei Flugaufnahmen durchzählen können, wird auch immer etwas bleiben, was mich anzieht :-) 

Bis bald!

Rob

 

 

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MOD

Hallo Rob,

Ingos Ausführungen ist nichts mehr hinzuzufügen. So ist der Werdegang  fast jedes Vintagisten.:-) Irgendwann fängt uns Roland alle und verwandelt uns von Erdlingen in Träumerlinge. Wir sehen dann Dinge ,die andere nicht sehen können und können davon dann nie mehr die Finger lassen. Mittlerweile ist es bei mir so schlimm, dass ich mir zur Entspannung Makrotage verordne. Die sind dann irgendwie strukturierter. Kein Durcheinander mit einem Berg Linsendeckeln,Zwischenringen, Adaptern usw. *grins Und wenn der Tag dann um ist, freue ich mich wie Bolle auf eine neue Vintageerfahrung am nächsten Tag. Mehr Freude geht wohl kaum. :-)

Zum Bild: Mit deiner Frucht vom Maiglöckchen hast du gleich ein Highlight im tristen Grau des Winters erwischt. Dein Hintergrund erinnert mich an ein Kaleidoskop, das ich als Kind mal besessen habe, bei welchem beim Drehen immer neue Muster entstanden sind.Durch die Swirlwirkung ergibt sich hinter der Beere eine leichte Tunnelwirkung. Hast du hier mit Zwischenring gearbeitet? Bin gespannt, was Roland zu deinem ersten Versuch sagt.;-)

Ich wünsche dir einen schönen Tag und weiterhin viel Spaß beim Probieren.:-)

Liebe Grüße

Gabi

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Makronist

Hallo Gabi,

danke für den netten Empfang in der Altglas-Zone! Ich kann jetzt besser verstehen, warum euch das so viel Freude bereitet. Kaum war das kleine Cooke an der Kamera hat es mich wirklich gepackt. Allein die Welt durch den Sucher so zu sehen ist ein tolles Gefühl. Neben den optischen Eigenschaften ist der weite Blick bei dieser Brennweite wirklich interessant. Deine Worte machen mir noch mehr Vorfreude aufs Entdecken und Probieren.

Schönen Abend für dich

Rob

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ADMIN

Erste Vintage-Erfahrungen!

Hallo Rob,

na, da habe ich Dir das tolle Teil gerade mal zugesandt – und schon haust Du hier das erste Foto raus. Respekt!

Es loht sich, dieses Foto mal näher zu betrachten. Das machen wir jetzt :-):

Wir beginnen mit einer ersten Bestandsaufnahme. Was haben wir?

  • Es handelt sich um ein recht profanes Motiv: eine rote Beere, nass infolge des tagelangen Regens zur Zeit :-). Sie hängt an einem recht mitgenommenem Stängel.
     
  • Du hast sie schräg von oben fotografiert – "normalerweise" nicht die ausdrucksstärkste Perspektive für solche Motive.
     
  • Im Hintergrund sind ein paar helle unscharfe Linien – häufig große Problem-Verursacher in der Makrofotografie, weil solche Linien Bilder stark zerschneiden können.


Nun schauen wir genauer hin:

Hauptmotiv

Die Beere hebt sich farblich hervorragend vom Rest des Bildes ab. Durch ihre "starke" Farbe in Verbindung mit einer sehr guten Beleuchtung wirkt sie attraktiv – ja schon fast sympathisch :-). Hierzu trägt auch die sehr gelungene Bildkomposition bei: Sie befindet sich leicht links oben im Goldenen Schnitt mit "Blick nach rechts" – also ins Bild hinein. Sehr gut gelungene Bildaufteilung, die das angenehme Gefühl beim Betrachten verstärkt.

Bokeh

Der Hintergrund "rutscht" infolge der gewählten Perspektive tatsächlich nach hinten; der aus diesem Winkel fotografierte Stiel der Beere verschwindet nach hinten und verbindet sich mit den Unschärfen des Bokehs. Dadurch und insbesondere durch die Abbildungscharakteristik des Cooke Kinics kommt Bildtiefe ins Foto. Es weise eine leicht plastische Wirkung auf. Die aufgrund der enorm hohen Lichtstärke des Filmobjektivs stark verschwimmenden hellen Linien – wie oben schon angedeutet, in der Regel ein Killer – fügen sich thematisch und optisch ins Gesamtbild ein und geben zur "last berry standig" das passende Bokeh; sie zeigen in angenehmer, nicht zu stark ablenkender Weise die Farben und Formen des Herbst/Winters – abgestorbene Pflanzenteile. Der leichte Swirl bettet die Beere in ihr Umfeld ein und liefert dem Bildbetrachter einen weiteren optischen Anreiz.

Gesamtwirkung

Nun kann die rote Beere, die "last standing berry", in ihrem typischen Lebensraum Model stehen und dem Bildbetrachter zeigen, wie sie alleine den schwindenden Farben des Winters trotzt :-).

Übergeordnete Analyse

Ich habe nun dieses Foto optisch und technisch mal ein wenig "seziert" – so versteht man ein Bild. Bei diesem Foto lohnt sich das. Warum? Weil es ein eigentlich völlig unspektakuläres Motiv ist, an dem viele Makronisten (berechtigt) vorbeigehen: eine zwar schillernd rote, aber nicht allzuschöne Beere, die vor wenig aussagekräftigen, eher sogar makrofotografisch schwierigen Hintergrund an einem unscheinbaren Ästchen hängt.

Und was ist rausgekommen?

Ein passables Foto! Die Hauptgründe hierfür sind:

  • natürlich der Makronist hinter der Kamera mit seiner Wahl insbesondere in Sachen Perspektive, Licht und eingesetzte Optik
     
  • das Cooke Kinic 1.5/25mm mit seiner Fähigkeit, einen Hintergrund zu zaubern, wo eigentlich gar keiner ist :-). Die ausreichend hohe Homogenisierung infolge der großen Blende 1.5, die malerische Darstellung insbesondere der Strukturen sowie der leichte Swirl geben dem Hauptmotiv Beere ein nicht nur nicht störendes, sondern vielmehr ein aufwertendes Umfeld. Die für das eingesetzte Objektiv individuelle Darstellungscharakteristik der Kontrastkanten sorgt für eine leichte Bildtiefe – ein entscheidender Punkt bei der Wirkung dieses Fotos. 

Rob, ein sehr interessantes Foto – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es Dein erster Versuch ist! Ich bin sicher, da wird noch eine Menge interessantes entstehen...

Nicht, dass hier bereits genau das eingetreten ist, was Gabi oben so treffend beschreibt (***obergrins***).

In diesem Sinne weiterhin "Gut Licht" 

Roland

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Makronist

Guten Abend Roland,

die ausführliche Besprechung hilft mir wirklich weiter. Herzlichen Dank! Ich muss gestehen, dass einiges, was du über mein Bild schreibst nicht in "voller Absicht" so entstanden ist. Dank deiner Interpretationen kann ich nun ein paar Gedankengänge beim nächsten Mal durchspulen. Die räumliche Tiefe, die das Cooke Kinic liefern kann hat mich besonders beeindruckt. Was das Licht, insbesondere im Bokeh verursacht, ist mir noch nicht ganz klar, aber ich denke, dass hier mit der Zeit Erfahrungswerte entstehen können. Im normalen Makrobereich haben mich schon sehr die "spektakuläre Motive" angezogen und ich denke, dass mir der Vintage-Zugang helfen kann, die Schönheit in schlichten, profanen Motiven zu entdecken. 

Sehr dankbar bin ich, dass ich so ein Schätzchen, wie das Cooke Kinic in geprüfter Qualität erhalten habe. Ich befürchte Ingo und Gabi haben den Braten gerochen. Beim Auspacken kam ich mir vor wie bei Rudy Carrell... und hier ist ihr Herzblatt ... ich war sofort verknallt ;-)

Eine Rückfrage hätte ich noch. Ich mache immer Tests am Meterstab, um die ABM meiner Objektive mit verschiedenen Zwischenringen kennen zu lernen. Beim Cooke kam es mir so vor, dass bei 1:2 oder größer, die Schärfe wirklich extrem nach außen abfällt und ich besser nicht größer wie 1:3 (in etwa 10mm Zwischenring, bzw. 2 x 5mm, nicht ganz an der Naheinstellgrenze) abbilden sollte. Hast du eine kurze Einschätzung dazu?

Vielen Dank & schöne Grüße

Rob

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ADMIN

Etwas Theorie zum Malen mit der Kamera

Hallo Rob,

Du sprichst einige Dinge an, zu denen man eine ganze Menge Interessantes schreiben kann. Das mache ich jetzt mal :-):

Vom Zufall zur Absicht

Mir ist klar, dass manches von dem, was ich oben geschrieben habe, nicht in Deiner "vollen Absicht" entstanden ist; das ist sehr häufig der Fall. Aber dieser Umstand ändert nichts daran, dass es sehr hilfreich ist, im Nachhinein zu verstehen, warum bestimmte Dinge in einem Bild so oder so wirken. Auf diese Weise kommt man allmählich vom Zufall zur Absicht. Egal, wie das, was ich oben (be)schreibe, auf dem Bild entstanden ist, es ist da. Im nächsten Schritt geht es darum, dies zu erkennen und zu verstehen. Das ist mein Ziel... :-).

Alte Gläser und Licht

Du sprichst das Licht im Bokeh an und den Umstand, dass Du noch nicht genau weist, was es im Bokeh verursacht.
Das mit dem Licht ist bei der Vintage-Makrofotografie eine hoch interessante Sache. Du wirst mit der Zeit sehen, dass die Gläser vieler alter Objektive mit dem Licht völlig anders umgehen als moderne Gläser. Dies wird stark unterschätzt. Oft zaubern sie regelrecht mit dem Licht. Das geht häufig so weit, dass bei eigentlich so gut wie nicht vorhandenem Licht plötzlich in den Fotos ein ganze eigenartiges, ein total spannendes Licht liegt. Mit modernen Objektiven fotografiert, wären diese Fotos für die Tonne. Aber durch die alten Gläser geleitet, zaubern oft kleinste Spuren von Licht ein unfassbares Gemälde.

Rob, das ist eine neue Welt! Hier gibt es viel zu entdecken – und noch mehr zu bestaunen.

Randunschärfen und Sensorgrößen

Das mit der rapide abfallenden Randschärfe hast Du korrekt festgestellt. Dies ist nicht nur im größeren Abbildungsmaßstab der Fall, sondern generell.

Es handelt sich um ein C-Mount-Kameraobjektiv, und die sind völlig anders berechnet. Filmobjektive sind sehr häufig in der Mitte deutlich schärfer als am Rand (hier gibt´s natürlich auch wieder viele Ausnahmen, die das alles noch spannender machen – grins).
Bei vielen dieser Objektive kommt dann noch etwas Spezielles dazu. Sie wurden vor vielen Jahrzehnten vorrangig für ein bestimmtes Filmformat konstruiert – beispielsweise das Cooke Kinic für 16mm Film. Nun gibt es einige dieser Objektive – so auch das Cooke Kinic –, die etwas "großzügiger" konstruiert wurden, d.h. ihr Bildkreis würde größer angelegt als für die Abdeckung des 16mm-Films notwendig war.
Nun war natürlich den damaligen Ingenieuren bewusst, dass dieses Plus an Mehr-Glas außenrum letztendlich für die Bildgebung nicht relevant war. Entsprechend wenig Aufmerksamkeit widmeten sie der Glasqualität bei diesem "Überschuss", und entsprechend fehlerbehaftet war er. Und genau das ist es, was wir nun mit größeren Formaten als die früheren 16mm ausnutzen. Genau damit gestalten wir malerisch.

Manche dieser tollen Geräte sind sogar in der Lage, das deutlich größere APS-C-Format voll abzudecken, einige ganz wenige sogar Vollformat. Vielleicht kannst Du Dir wage vorstellen, wie groß die Möglichkeiten zum kreativen Malen sind!

Das Fotografieren ist bereits anders, nicht nur das Bildergebnis

Die Folge davon ist, dass man natürlich mit solchen C-Mount-Objektiven völlig anders fotografieren muss als mit Objektiven, die für die Fotografie entwickelt wurden, also Fotoobjektive. Hat man das gelernt, öffnet sich ein schier endloses Experimentierfeld. Und genau das zeige ich unter anderem bei den Vintage-Makro-Workshops. Aber Du kannst Dir vielleicht auch das Eine oder Andere durch Ausprobieren selbst erschließen. Wirst sehen, das macht einen Riesen-Spaß!

Auszugsverlängerung/Zwischenringe

Übrigens: Mehr als 10mm Auszugsverlängerung würde ich nur in Ausnahmefällen vor das C-Mount-Obi schrauben. Obwohl seine Schärfeleistung wirklich sensationell ist, ist irgendwann mal Schluss mit lustig, wenn man dieses für die Ferne konstruierte und optimierte Objektiv zu weit in den Nahbereich entführt; irgendwann lässt die Schärfeleistung logischerweise dann doch mal deutlich nach. Das ist das Gleiche wie bei modernen Objektiven.
Aus diesem Grund habe ich Dir nur zwei dieser schmalen Ringe empfohlen und beigelegt.

Vintage-Makro und "Klassisch"-Makro

Selbstverständlich ersetzt die Vintage-Makrofotografie, die wir hier unter anderem betreiben, nicht die klassische Makrofotografie mit modernen Objektiven. Auch ich fotografiere natürlich nach wie vor auch intensiv "klassisch" – und möchte und werde darauf auch nie verzichten. Viele Motive sind nach wie vor am besten mit unseren tollen modernen Objektiven ablichtbar.

Mit der Makrofotografie mit alten Objektiven erschließen sich vielmehr entweder völlig neue Motive, oder aber bereits bekannte Motive können in veränderter Form auf den Sensor gebannt werden. In der Regel spielt bei der Vintage-Makrofotografie der Aspekt der Kreativität eine verstärkte Rolle, während die klassische Makrofotografie beispielsweise top geeignet ist für die Abbildung kleinster Details oder zur Dokumentation von Tieren und/oder ihrem Verhalten – um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.
Du siehst in jeder Ausgabe der MAKROFOTO Beispiele solcher Einsatzbereiche moderner Makroobjektive. Die detaillierten Tier-Porträts, die ich dort in jeder Ausgabe einstelle, sind anders gar nicht machbar.

So genug geschrieben, nun wird wieder fotografiert :-).

Liebe Grüße 

Roland

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Makronist

Hallo Roland,

vielen Dank für den wertvollen Input! Ich seh schon ... du hast dich tief eingearbeitet und tief reingefühlt in diesen besonderen Bereich der Fotografie. Ich habe wild experimentiert die letzten Tage und muss schon sagen, dass es sich schon ganz "neu" anfühlt, was da ab geht. Ich denke, es dauert noch bis ich da wirklich weiter komme.

Ich freue mich auf weiteren Austausch!

Herzliche Grüße

Rob

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