Wespenspinne mit Beute

Nach den Richtlinien des Makrotreffs ist das eingestellte Foto absolut eins zu eins. Wirklich nachvollziehen kann ich diese Richtlinie nicht, weil sie deutlich gegen die Schärfentiefe geht, selbst bei ISO 800, f 9 und 1/500 sec Belichtung.  Aber einen Versuch war es wert.

Kommentarbereich

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ADMIN

Beschnittgrenze 10% – warum?

Hallo Montefiasco,

der Versuch war es durchaus "wert". Das Foto weist eine saubere Schärfe auf – und zwar dort, wo sie liegt: auf der Beute. Du hast die Perspektive schließlich auch so gelegt, dass die Beute das eigentliche Hauptmotiv ist, nicht die Spinne.
Klar, die Spinne ist nun nicht mehr mit in der Schärfeebene der Blende 9.0 – geht aber auch nicht bei diesem Abbildungsmaßstab.

Regel Beschnittgrenze – warum?

Du kannst unsere Regel hinsichtlich der Beschnittgrenze "nicht wirklich nachvollziehen". Ich versuche, es Dir zu erläutern:

Wir beschäftigen uns hier bei Makrotreff mit dem (Makro-)Fotografieren, also mit dem originären Vorgang der Erstellung eines Fotos. Dabei wollen wir uns verbessern, im Idealfall das Optimale aus einer gegebenen Situation herausholen.
Dabei setzen wir uns insbesondere mit den drei Grundwerten der Fotografie auseinander: Blende, Zeit und (in Klammern: ISO-Wert). Diese Werte ins optimale Verhältnis gebracht, liefern für die jeweilige Situation bestmögliche Ergebnisse beispielsweise bei Schärfentiefe, Punktschärfe, Beugungsunschärfe, Verwacklungsunschärfe und vielen weiteren. Ist dieses Optimum gefunden, geht einfach nicht mehr. Ab dann greifen physikalische Grenzen; das war vor Hundert Jahren so und wird in weiteren Hundert Jahren immer noch gelten.

Nun kann man diese Grenzen doch ein wenig "austricksen" beispielsweise mit neuen Techniken wie Focus Stacking. Trotzdem bleiben diese Grenzen bestehen, behalten ihre Gültigkeit.

Nun ist mir natürlich bekannt, dass im Zeitalter der digitalen Fotografie für viele Fotografen ein "Austricksen" darin besteht, mit einem relativ kleinen Abbildungsmaßstab Fotos zu erstellen und anschließend per Bildbeschnitt in den eigentlichen Makrobereich vorzustoßen; bläst man den übrig gebliebenen Bildschnipsel wieder auf Betrachtungsgröße auf, zeigt sich ein tolles Makrofoto.

Nichts gibt es umsonst...

Diese Art von "Tricksen" gibt´s allerdings nicht zum Nulltarif; sie kostet Bildmasse! Mehr oder weniger große Bildbereiche werden weggeschnitten.
Nehmen wir als Beispiel Deine erste Bildeinstellung. Hier hast Du etwa 90% des Originals weggeschnitten. Das heißt, von Deinem 17MB-Sensor hast Du nicht mal 2MP für das "Endbild" übrig. Abgesehen davon, dass Du ursprünglich eigentlich ja mal 17MP bezahlt hast, sind die verbleibenden 2MP so wenig, dass Du dieses Foto zwar gut auf einem Computer-Monitor präsentieren kannst. Ein mittlerer bis geschweige denn größerer Ausdruck hingegen ist nicht mehr möglich.

Weitreichende Auswirkungen auf die Qualität der gesamten Makrofotografie

Und genau darunter "leidet" die gesamte Foto-Szene, insbesondere die Makrofoto-Szene. Die meisten Makrofotos, die im Netz präsentiert werden, sind derart beschnitten, dass sie zu nichts anderem mehr taugen als zu einer niedrig aufgelösten Bildschirmbetrachtung (mit der Vergabe von ordentlich vielen Likes für´s Ego). Der (einfache) Weg des Bildbeschnitts hat über die Jahre dazu geführt, dass "echte" Makrofotografie, also das Ausreizen der oben genannten Parameter bis an ihre Grenzen, kaum noch beherrscht wird. Diese Entwicklung geht also sehr stark auf Kosten der (makro)fotografischen Kompetenz und damit auf die Qualität der Endprodukte – also der Fotos.

Entschuldige bitte meine deutliche Formulierung, aber alle diejenigen, die mit Print zu tun haben – Verlage, Vereine, auch viele rein private Anwendungen – singen mittlerweile ein Klagelied über die Qualität der "Rest-Schnipsel", die sie erhalten, wenn sie ein Foto aus der Netz-Ansicht anfordern und versuchen, dieses zu drucken; ich habe ständig mit diesem armen Menschen zu tun. Die meisten Fotos haben einfach zu wenige Pixel. Klar, die sind ja auch ordentlich weggeschnitten worden.

In den vergangen etwa 20 Jahren hat diese Entwicklung zu einer Senkung des allgemeinen Niveaus bei Makrofotografien geführt – bei gleichzeitig immer besseren und erschwinglicheren technischen Möglichkeiten!

"Ehrliche", handgemachte Makrofotografie...

Aus diesen Gründen fotografieren wir hier bei Makrotreff noch "echt". Wir versuchen, das Maximum beim Fotografieren selbst zu lernen, nicht die "Krücken" anschließender Bildbearbeitungs-Tricks. Schließlich ist in früheren Zeiten auch kein Makro-Fotograf auf die Idee gekommen, mit der Schere ein Dia kleinzuschnipseln, damit anschließend das abgebildete Insekt irgendwie größer wird... :-). Selbstverständlich und auch logischerweise bleibt jedem Makronisten überlassen, seine Fotos irgendwann nach Belieben kleinzuschneiden. Dies ist aber eben nicht die Grundlage unserer Auseinandersetzung mit Makrofotografie hier bei Makrotreff.

Übrigens: Bei der Methode des Focus Stackings bleibt die ursprüngliche Qualität eines Fotos komplett erhalten. Dieses "Austricksen" ist also völlig anders zu bewerten und stellt tatsächlich eine beachtliche technische Neuentwicklung dar – die eben auch wieder erlernt sein will, wenn man es "sauber" machen möchte.

Nun hoffe ich, dass Du unsere Vorgehensweise ein wenig besser nachvollziehen kannst.

Liebe Grüße

Roland

[Übrigens: Ich würde das Foto nachträglich etwas aufhellen, so etwa 2/3 bis eine Stufe. Es ist etwas zu dunkel.]

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Makronist

Lieber Roland,

von der Ausführlichkeit deiner Erklärung bin ich überwältigt! Herzlichen Dank! - Noch ehe ich deine umfangreiche Erklärung bekommen hatte, habe ich über den Grundsatz, möglichst eins zu eins zu fotografieren, nachgedacht und den bei "meiner" Wespenspinne auch schon in die Tat umgesetzt. Bei der Spinne, die mehr oder weniger unbeweglich in ihrem Radnetz sitzt, geht das mit relativ langer Belichtungszeit und dementsprechender Schärfentiefe. (ich bin seit Jahrzehnten an die Tiefenschärfe gewöhnt.) Bei Insekten, die sich kurz auf einer blüte niederlassen, wird das schon schwieriger. Aber auch dafür habe ich gesorgt, ein billiges und daher unbrauchbares Reisestativ entsorgt und ein gutes Stativ bestellt. Damit werde ich dann auch Fernauslösung probieren. Die Ergebnisse werden hoffentlich so sein, dass ich sie hier einstellen kan.

Nochmals vielen herzlichen Dank für deine ausführliche Erläuterung!

Und herzliche Grüße

Manfred

 

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Makronist

Das hat den einfachen Grund, dass ich die Spinne in die Mitte rücken möchte. Da passt die Schärfentiefe, aber auf dem Bauch vor der Spinne liegend, ohne Stativ und nur die Ellbogen aufgestützt, habe ich für meinen Geschmack die Bildaufteilung ein wenig verschoben.

Herzlichen Dank für deine erneute Antwort.

Manfred

 

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