Der Tanz der Wintermücken – Trichocera hiemalis

Lesedauer
18 minutes
Gelesen

Der Tanz der Wintermücken – Trichocera hiemalis

Fr., 12/01/2018 - 02:02
24 comments

Er inspiriert Dichter, er wird von großen und kleinen Menschen besungen, er fasziniert Biologen, und er soll das Wetter vorhersagen – die Rede ist vom Wintermücken-Tanz.

Lasst Euch ebenfalls inspirieren. Dieses tolle Winter-Makromotiv ist weit verbreitet und leicht zu finden. Macht tolle Fotos, normale und nicht normale. Setzt Eurer Experimentierfreudigkeit keine Grenzen. Und zeigt Eure Arbeiten hier bei Makrotreff. Die besten Fotos veröffentlichen wir in diesem Post.

In meines Glückes Sonnenglanz, Da gaukelt fröhlich der Mückentanz. […]; Heinrich Heine (siehe unten)
Wintermücken-Tanz (Trichocera hiemalis) im Sonnenglanz eines Januar-Nachmittags.

Olympus E-5; Sigma 150mm f/2.8 Macro; ISO 1600; Blende 6.3; 1/1000 Sek.

 

Wintermücken (Trichocera hiemalis) im Schwarm in der Aufwärtsbewegung. Zu sehen sind drei bzw. vier Flügelschläge.
Die Farben im Hintergrund stammen von welken Hainbuchenblättern (braun), Buschmalven-Laubblättern (grün+gelb), welkenden Buschmalven-Blüten (rot) und Himmel (blau).

Olympus E-5; Sigma 150mm f/2.8 Macro; ISO 100; Blende 4.5; 1/25 Sek., Korrektur -2/3
 

Die Fotografie des Mückentanzes

Um die tanzenden Wintermücken scharf abzulichten, benötigt man eine sehr kurze Verschlusszeit. Je nach Abbildungsmaßstab ist eine 1/1250 Sekunde und kürzer nötig. In wenigen Situationen, z.B. dann, wenn man einzelne Mücken „erwischt“, die gerade nicht ganz so „hektisch“ tanzen, reicht 1/800 bis 1/1000 Sekunde Verschlusszeit.

An Wintertagen ist es gar nicht so einfach, diese kurzen Verschlusszeiten zu realisieren. Zum einen tanzen die Mücken nur bei tief stehender Sonne, kurz bevor sie am Horizont untergeht. Zum anderen benötigt der Makronist eine große Schärfentiefe, um möglichst viele Mücken innerhalb des Schwarms scharf abzulichten. Die Blende sollte also geschlossen werden. Dies funktioniert nur, wenn gleichzeitig der ISO-Wert angehoben wird, was wiederum das Rauschen begünstigt.
[Anmerkung: Ich habe die Fotos noch mit der guten "alten" E-5 von Olympus gemacht, die stärker rauscht als die Sensoren der heutigen Modelle. Um noch höhere ISO-Werte und damit verbunden ein noch stärkeres Bildrauschen zu vermeiden, habe ich die Blende maximal bis zur Stufe 6.3 geschlossen.]

Nun bietet der Wintermücken-Tanz mit den wunderschönen Bewegungen der Insekten auch andere als die "klassischen" Möglichkeiten der fotografischen Umsetzung. Die Dynamik der Einzeltiere sowie des ganzen Schwarms in Verbindung mit dem weichen Abendlicht fordern die eigene Kreativität zur Suche nach anderen Umsetzungswegen auf. Die Charakteristik dieser Dynamik wird kaum deutlich, wenn die einzelnen Mücken „eingefroren“, sprich knack-scharf abgelichtet werden. Erst das Fotografieren mit deutlich längeren Verschlusszeiten zeigt die anmutige Bewegung der tanzenden Flugkünstler. Mit einer 1/25 Sekunde „erwischt“ man in etwa drei bis vier Flügelschläge, und die dabei zurückgelegte Entfernung der Insekten wird sichtbar. Diese Verschlusszeit ist noch mit freier Hand beherrschbar, der ISO-Wert kann deutlich gesenkt werden. Nun treten Farbe, Form und Bewegung in den Vordergrund. Jetzt erst tanzen die Mücken im weichen winterlichen Abendlicht – gaukelnd, fröhlich, lebhaft und "leichtflüglig".

 

Wintermücken im Schwarm in der Aufwärtsbewegung, fotografiert mit einer langen Belichtungszeit. Zu sehen sind vier Flügelschläge
 Die Farben im Hintergrund stammen von welken Hainbuchenblättern (braun), Buschmalven-Laubblättern (grün+gelb) und Himmel (blau).

Olympus E-5; Sigma 150mm f/2.8 Macro; ISO 100; Blende 4.5; 1/20 Sek., Korrektur -2/3
 

Der Mückentanz in der Lyrik

In meines Glückes Sonnenglanz,
Da gaukelt fröhlich der Mückentanz.
Die lieben Freunde liebten mich
Und teilten mit mir brüderlich
Wohl meinen besten Braten
Und meinen letzten Dukaten.

Das Glück ist fort, der Beutel leer,
Und hab auch keine Freunde mehr;
Erloschen ist der Sonnenglanz,
Zerstoben ist der Mückentanz,
Die Freunde, so wie die Mücke,
Verschwinden mit dem Glücke.
[...]

Mir träumt manchmal, gekommen sei
Zurück das Glück und der junge Mai
Und die Freundschaft und der Mückenschwarm.
[...]

Heinrich Heine; aus Romanzero – Kapitel 42, XIV. Frau Sorge


Heinrich Heine vergleicht in seinem Gedicht Frau Sorge das Erscheinen und Verschwinden des Mückentanzes mit der Dynamik selbst empfundenen Glücks.

Einzelne Wintermücke am Außenrand des Schwarms in der Aufwärtsbewegung, fotografiert mit einer langen Belichtungszeit. Zu sehen sind drei Flügelschläge.
Die Farben im Hintergrund stammen von welken Hainbuchenblättern (braun), Buschmalven-Laubblättern (grün+gelb), welkenden Buschmalven-Blüten (rot) und Himmel (blau).

Olympus E-5; Sigma 150mm f/2.8 Macro; ISO 100; Blende 4.5; 1/25 Sek., Korrektur -2/3
 

Auch Karl Freiher von Lemayer (1841 – 1906) assoziierte in seinem Gedicht Frühling den Mückentanz mit Glück:


Frühling schimmert in den Lüften,
Gleisset in der Sonne Glanz,
Spielt in süßen, lauen Düften,
Spielt im wirren Mückentanz.
[...]


Und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874), der mit Alle Vögel sind schon da unseren gefiederten Mitbewohnern, mit Kuckuck, Kuckuck ruft´s aus dem Wald dem gewieften Vogel-Brutparasiten und mit Ein Männlein steht im Walde den Pilzen bekannte Liedtexte geschrieben hat, dichtete den tanzenden Mücken ebenfalls einen eigenen Liedtext:


Tanzlied der Mücken

Frisch, ihr Blumen und Halme,
Frisch, spielt uns zum Reih´n!
Denn es winket die Sonne
Mit purpurnem Schein.
Lasst uns schweben im Tanze
Am Bach und im Feld!
Uns gehöret die ganze,
Die unendliche Welt.

Weile länger, o Sonne!
Wer weiß, ob einmal
Uns noch scheinet zum Tanze
Dein lieblicher Strahl?
Ach, wer weiß, ob uns morgen
Ein Wiedersehn lacht?
Heißa, lustig getanzet,
Eh´ uns scheidet die Nacht.

Heißa, lustig getanzet
im blumigen Duft!
Lasst uns singen und summen
In säulender Luft!
Lasst und schweben und weben
Hinab und hinauf!
Denn es hat ja die Sonne
Bald vollendet den Lauf.

[…] Denn es winket die Sonne mit purpurnem Schein. Lasst uns schweben im Tanze [...] – Wintermücken-Tanz im abendlichen Sonnenstrahl.

Olympus E-5; Sigma 105mm f/2.8 Macro; ISO 640; Blende 4.0; 1/1250 Sek.

In seinem Gedicht beschreibt August Heinrich Hoffmann von Fallersleben sehr genau das Verhalten der tanzenden Mücken:

  • Sie tanzen im Flug (Lasst uns schweben im Tanze);
  • fliegen im Zickzack rauf und runter (Hinab und hinauf);
  • im Sonnenschein (mit purpurnem Schein);
  • bei tiefen Sonnenstand, bis die Sonne untergeht (Denn es hat ja die Sonne bald vollendet den Lauf);
  • bei ruhigem Wind, im freien Gelände (Am Bach und im Feld);
  • summen beim Tanzen (Lasst uns singen und summen);
  • und der ganze Tanz ist zeitlich begrenzt, dass heißt er findet nicht das ganze Jahr über statt (Ach, wer weiß, ob uns morgen ein Wiedersehn lacht).


All diese "Fakten" treffen zu. Ich werde aus biologischer Sicht weiter unten darauf eingehen.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben war vom Phänomen des Mückentanzes anscheinend so fasziniert, dass er ihm mit Mückentanz einen zweiten Liedtext widmete, diesmal speziell für Kinder.

Auch heute fasziniert der abendliche Mückentanz die Menschen. Hermann Heimeier dichtete den Text Die kleine Mücke Lea, Stefen Janetzko komponierte dazu ein beliebtes Kinderlied. Das Ganze nennt sich Kleine Mücken tanzen – Die kleine Mücke Lea, oder kurz Der Mückentanz, und wird sehr gerne von Kindern mitgetanzt. Der Refrain liefert eine wunderbare Beschreibung ihres Verhaltens:

Kleine Mücken tanzen in der Abendsonne,
ihnen zuzusehen, das ist eine Wonne.
Aber wird es dunkel, kannst du sie nicht sehn,
denn sie fliegen heim und schlafen dort recht schön.

Wintermücke (Trichocera hiemalis) hat sich nach dem Tanz in der Abenddämmerung auf einem Buschmalven-Blatt zur Nachtruhe niedergelassen.

Olympus E-5; Sigma 105mm f/2.8 Macro; ISO 640; Blende 3.2; 1/125 Sek.

Bauernregeln

Und die guten alten Bauern meinten, aus dem winterlichen Mückentanz allgemeingültige Regeln ableiten zu können.

Wenn im Februar die Mücken schwärmen, muss man im März die Ohren wärmen.
Mücken, die im Februar summen, gar oft auf lange Zeit verstummen.
Im Januar viel Mückentanz, verdirbt die Futterernte ganz.
Spielen die Mücken im Februar, friern Schafe und Bienen das ganze Jahr.
Wenn am Paulustag die Mücken tanzen, Bauer schnür enger den Futterranzen.

... und so einige mehr!

Allen Bauernregeln ist gemein, dass das Tanzen der Mücken auf eine bevorstehende Kälte hindeutet.

Nun ja, wenn sich die Bauern da nicht mal täuschen. Denn auch hier gilt – wie bei so manchen anderen Reden aus Bauernmunden – es fehlt alleine der Beweis.

 

Zur Biologie

Wenn der „moderne“ Mensch das Wort Mücke hört, zuckt er in aller Regel sogleich zusammen. Zu einprägend ist die Eigenschaft einiger Genossen dieser Insektengruppe, Blut zu saugen. Zu nachhaltig ist die Erinnerung an "verstochene" Sommerabende im heimischen Garten, an übelst verpiekste fleischreiche Grillabende :-).
Dabei ist mit knapp 3000 Arten nur ein kleiner Teil der weltweit insgesamt etwa 100.000 Mückenarten auf das Blut anderer Lebewesen aus. Die Wintermücken gehören nicht dazu. Sie bilden eine relativ kleine Gruppe mit weltweit etwa 100 Arten, von denen bei uns in Deutschland 12 heimisch sind.

Der Wintermücken-Tanz

Die Wintermücken der Art Trichocera hiemalis erscheinen Ende Herbst. An milden Wintertagen und bis in den beginnenden Frühling hinein versammeln sich die männlichen Mücken zu größeren Trupps von einigen hundert Tieren und mehr. Zunächst sitzen sie regungslos und von uns Menschen kaum bemerkt auf Blättern und Ästchen von frei stehenden, kniehohen Pflanzen.

Ein Männchen der Wintermücke Trichocera hiemalis wartet auf einem Buschmalven-Blatt bei tief stehender Abendsonne auf den Tanzbeginn.

Olympus E-5; Sigma 105mm f/2.8 Macro; ISO 500; Blende 3.5; 1/125 Sek.

Bei der Ortswahl bevorzugen sie helle "Randstrukturen", also beispielsweise Heckenränder, Waldränder und -lichtungen, aber auch nur kleinere Büsche oder verdorrte Pflanzenstängel aus dem Vorjahr. Hierbei sind sie nicht wählerisch.
Ein wichtiges Kriterium jedoch bei der Wahl ihrer Ruhe- und Tanzorte ist die Möglichkeit ungehinderter Sonneneinstrahlung. Denn wenn die Wintersonne ihre ohnehin tief liegende Bahn zum Abend hin noch weiter senkt, erheben sich die Mückenmännchen wie auf ein gemeinsames Kommando zeitgleich in die Luft, treffen sich zu einem Schwarm etwa einen Meter über ihren Ruhepflanzen und beginnen mit dem Tanz. Mit mehreren Flügelschlägen steigen sie gemeinsam nach oben, um sich daraufhin wieder ein Stück herabfallen zu lassen – aber nicht ganz so weit, wie sie hochgeflogen sind. Es folgt wieder eine Aufwärtsflug von etwa 20 Zentimetern, mit einem anschließenden Absinken. So entsteht ein Zickzack-Flug des gesamten Schwarms, der nach etlichen Auf- und Abwärtsbewegungen bis auf etwa drei Meter Höhe steigt.

Dann plötzlich, einem Zusammenbrechen gleich, stürzen sich alle Mücken gleichzeitig wieder nach unten, um entweder sofort oder nach einer kurzen Sitzpause auf ihren Ruhepflanzen das ganze Schauspiel zu wiederholen.

Der Mückenschwarm in der Aufwärtsbewegung

Olympus E-5; Sigma 105mm f/2.8 Macro; ISO 800; Blende 5.0; 1/800 Sek.
 

Die Mückenmännchen tanzen bis zum letzten Sonnenstrahl. Neben Temperaturen um den Gefrierpunkt herum ist Windruhe eine weitere Voraussetzung für den Schwarm-Tanz. Denn in ruhiger Luft können die Männchen ungehindert ihre akrobatischen Flugmanöver vollziehen. Das, was für uns wie ein wirres Durcheinander aussieht, ist ein gezieltes Interagieren der Mücken. So kommt es immer wieder zum Kontakt zweier Tiere, die sich im Freiflug gegenüberstehen. Auch gezielte „Gruppentreffen“ mehrerer Tiere mit Körperkontakt sind keine Seltenheit. Nur sehen wir Menschen das alles nicht, weil solche Begegnungen nur Sekundenbruchteile dauern.

Zwei Wintermücken-Männchen (Trichocera hiemalis) stehen sich innerhalb des Schwarms für kurze Zeit gegenüber und berühren sich gegenseitig mit ihren Beinen (Bildmitte).

Olympus E-5; Sigma 150mm f/2.8 Macro; ISO 1600; Blende 6.3; 1/1000 Sek.

Wo und wie findest Du tanzende Wintermücken?

Zusammenfassend eine Übersicht über die wichtigsten Punkte. Die Haupt-Schwarmaktivitäten der Wintermücken finden statt

  • vom Spätherbst bis zum Frühlingsbeginn, mit Schwerpunkt in der zweiten Winterhälfte bis etwa März
  • an milden Tagen mit Temperaturen um die Null Grad Celsius oder knapp darüber
  • an sonnigen Tagen
  • ab etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang bis zum Sonnenuntergang
  • an hellen Randstrukturen wie Heckenränder, Waldränder und -lichtungen, kleinere Büsche und verholzte Vorjahres-Vegetation, aber auch in Gärten
  • die Tanzorte müssen frei von der Abendsonne beschienen werden können

Es lohnt sich, in der Landschaft nach tanzenden Wintermücken zu suchen. Denn die häufig vorkommenden Mückenschwärme sind insbesondere im Gegenlicht der Sonne schon aus weiter Entfernung zu sehen. Einmal gefunden, können sie in der Regel am nächsten Tag wieder an der gleichen Stelle aufgesucht werden; Wintermücken sind recht standorttreu.

Warum tanzen Wintermücken?

Durch den Flügelschlag erzeugen die tanzenden Mückenmännchen einen artspezifischen Summton. Zusätzlich geben sie Duftstoffe, sogenannte Pheromone, ab. Beides lockt Weibchen derselben Art an, die in den Schwarm fliegen und dort begattet werden.

Durch das ständige Auf und Ab wirkt es so, als „tanze“ der Schwarm.
 

Die Überlebenskünstler

Wie der Name schon sagt, scheuen Wintermücken keine Kälte. Im Gegenteil, im Winter fühlen sich die ausgewachsenen Insekten (Imagines) erst so richtig wohl. Kalte Temperaturen können ihnen nicht schaden. Eine glycerinähnliche Substanz (Zucker-Alkohole) in ihren Zellen verhindert ein Gefrieren selbst bei höheren Minusgraden. Dieser natürliche Frostschutz macht sie, wie Hermann Löns es im Kapitel Unverfrorenes Volk seines Werks Da draußen vor dem Tore formuliert, zum „einzigen deutschen Zweiflügler, der ein reines Wintertier ist“.

Siehe auch Früher Frühlingsbote: der Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni) hier auf Makrotreff.
 

Mut zum eigenen Foto, zur eigenen Interpretation!

Ich habe mit meinen Bild-Beispielen nur eine unter sicherlich vielen weiteren Möglichkeiten umgesetzt. An dieses Thema kann man völlig frei herangehen und experimentieren. Hier geht es nicht um das perfekte Foto, erst recht nicht um das technisch perfekte Foto. Auch die in diesem Post gezeigten Fotos von mir sind nicht perfekt, auch nicht technisch perfekt. Sie lassen sich noch "besser" umsetzen. Sehr interessant und ausfüllend, aber auch durchaus herausfordernd, ist der große Freiraum für Phantasie und Kreativität, den dieses Motiv liefert.

So können eigene Empfindungen, Sichtweisen und Geschichten mit in dieses Thema eingewoben werden, jeweils völlig frei interpretiert. Viele Menschen verknüpfen beispielsweise mit dem Tanz der Wintermücken eigene Kindheitserinnerungen. Können diese in eine fotografische Umsetzung mit einbezogen werden? Oder die eher erdrückende (Umfeld-)Problematik mit der aktuell so gravierenden Zerstörung der Lebensräume und dem Rückgang der Insekten. Lässt sich eine solche Aussage mit dem Tanz der Tiere verknüpfen? Oder, oder, oder...

Unter Makronisten gibt es zahlreiche sehr kreative Köpfe, und ich bin sehr gespannt auf andere Interpretationen dieses Motivs. Alles ist erlaubt...

Nun wünsche ich allen Makronisten tolle Erlebnisse mit Wintermücken, dazu eine große Portion Freude und hintendran noch super schöne und vor allem inspirative Fotos vom Wintermücken-Tanz.

Roland Günter
 

Artikel mit ähnlichen Inhalten hier auf Makrotreff:

Früher Frühlingsbote: der Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni)  -  von Roland Günter

Roland Günter ist Betreiber von Makrotreff und Chefredakteur von MAKROFOTO. Der Dipl. Forst-Ingenieur betreibt die Makrofotografie hauptberuflich und verwaltet ein umfangreiches biologisch-wissenschaftliches Bildarchiv.

Der Kern seiner Arbeit liegt in der Dokumentation biologischer Vielfalt. Zu diesem Themenkomplex werden seit vielen Jahren seine Fotos und Reportagen im In- und Ausland in vielen gängigen Zeitschriften und Buchproduktionen publiziert.

Einen weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die von ihm auf professionelles Niveau gehobene künstlerisch-kreative Vintage-Makrofotografie – also die Fotografie mit alten Objektiven an modernen Sensoren. Unter anderem hat er den einzigartigen Multivisions-Vortrag Fotografie mit Flair – Malen mit der Kamera konzipiert und neben anderen Events bei den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen vor großem Publikum gehalten.

Hier zeigen wir Fotos von Makrotreff-Usern vom

Tanz der Wintermücken.
 

Canon EOS 7D MkII; Canon EFS 60mm f/2.8; ISO 100; Blende 11.0; 1/60 Sek.

Foto: Christine Eiserfey
 

Sony A7II; Kilfitt 90mm f/2.8 Macro; ISO 800; Blende 2.8; 1/8000 Sek.

Foto: Adrian Scheel

Weiterführende Erklärung zum hier verwendeten Objektiv:
Bei dem hier von Adrian verwendeten Kilfitt handelt es sich um ein sehr altes Makro-Objektiv aus den 1960er Jahren. Der Münchner Objektivbauer Heinz Kilfitt baute für die damalige Zeit hervorragende lichtstarke Linsen mit eigener Abbildungs-Charakteristik. Das hier verwendete 90mm f/2.8 ist, im Gegensatz zu heutigen Makroobjektiven, fast ausschließlich für den Makrobereich berechnet worden; im Fernbereich lässt die Abbildungsleistung deutlich nach. Die Verwendung in Verbindung mit den heutigen modernen Digitalkameras führt zu einer Renaissance solcher Objektive. Mit ihnen ist insbesondere die Erstellung künstlerischer Fotos mit hoher emotionaler Aussagedichte möglich – in fantastischer Weise praktiziert von Adrian Scheel.

Kommentare

Profile picture for user Chris Tine

Hallo Roland,

das ist eine ganz tolle Idee und da hast du dir sicherlich viele Gedanken dazu gemacht und etwas sehr Schönes einfallen lassen. Es ist alles wunderbar geschrieben und sehr Interessant zu lesen.

Die Gedichte und deine Fotos dazu gefallen mir sehr das ist mal etwas ganz anderes. Ich Denke dass sich das ganz toll Umsätzen lässt, auch für Leute die vielleicht noch nicht so viel Foto Erfahrung haben wird das sicher ein sehr gutes Makro Motiv sein.

Ich bin schon sehr gespannt darauf was für Kreative Bilder mit den kleinen Mückchen entstehen.

Ganz liebe Grüße,

Christine

 

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Christine,

ja, auch ich freue mich auf die Entwicklung und Präsentation anderer (oder auch gleicher) Ideen.

Insgesamt ist in unseren Breiten die Winterzeit ja nicht ganz so reich an Makromotiven. Der Tanz der Wintermücken bietet sich da regelrecht an. Deshalb habe ich oben die Hintergründe dieses kleinen Naturschauspiels vorgestellt.

Liebe Grüße,

Roland

Profile picture for user Adrian Scheel
Makronist

Hallo Roland,

ich freue mich immer über ein neues Heft und die wunderschönen Artikel darin. Bin jetzt erst dazu gekommen auch mal online zu stöbern. Dein Beitrag zu den Wintermücken und deren Tanz habe ich mit Begeisterung gelesen, es war mir überhaupt nicht bewusst welche feinen Hintergründe es zu diesem wundervollen Schauspiel gibt. Ich fotografiere mit einer Sony A7II und alten, bis sehr alten Objektiven. Hier ein Bild von einer Tour in meiner Heimatregion rund um dem Kaiserstuhl. Verwendet habe ich eine altes Kilfitt 90mm Macro Objektiv aus den 1960er Jahren, welches für seine sanfte Bildwiedergabe bekannt ist. Ich finde, es gibt den abendlichen Tanz der Mücken sehr schön wieder. Ich ordne es mal in die Kategorie "Natur-Minimalismus" ein ;-).

Hoffe es gefällt Dir/Euch.

Herzliche Grüsse aus Südbaden

Adrian Scheel

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Adrian,

wow, das ist absolut klasse! Eine ganz tolle Umsetzung dieses Motivs. Bin völlig aus dem Häuschen...

Ja, ja, der gute alte Kilfitt. Der hat für damalige Verhältnisse super gute, für heutige Verhältnisse super interessante Linsen gebaut. Und die werden richtig wertig gehandelt – zurecht.

Dein Foto gefällt mir ausgesprochen gut. Es ist eine Bereicherung dieses kleinen Winter-Themas hier bei Makrotreff. Sehr gute Bildidee, klasse Bildaufbau, und dann die Charakteristik des 90er Killfitts – alles zusammen ergibt ein wunderbares Foto.

Gerne können wir es hier in der Diskussion belassen. Wenn Du jedoch bereit wärst, es mit einer etwas größeren Auflösung bereitzustellen, würde ich es sehr gerne zusätzlich oben ans Ende des Artikels platzieren. Sehr gut wäre eine Mindestkantenlänge von 1800px an der längeren Seite sowie Angaben zur Blende, Verschlusszeit und ISO-Wert. Die übrigen Daten kann ich Deinem obigen Text entnehmen.

Aber wie gesagt, nur wenn das für Dich in Ordnung ist. Ansonsten lassen wir alles so, wie es ist.

Lieber Gruß,

Roland

PS: Ein neues Heft unserer MAKROFOTO wird es bald geben. Wir (ich und insbesondere Valentin) sind voll mit der Umsetzung beschäftigt.

[Nachtrag: Adrian Scheel hat ein Foto aus dieser Serie in höherer Auflösung zur Verfügung gestellt. Ich habe es oben in den Artikel eingebunden. Danke Adrian!]

Profile picture for user Gast

Hallo Roland,

danke für den interessanten Artikel. Jetzt weiß ich endlich was mir da im Winter schon einige Mal vor die Linse geflogen ist. Ich verfolge Euren Blog nun schon seit längerer Zeit und bin jedesmal begeistert von Eurer Arbeit - vor allem auch in Bezug auf Umweltschutz und im Besonderen in Bezug auf das Insektensterben. Leider sehr traurig wie es mit der Artenvielfalt bergab geht. Ich hoffe dass die Bilder ein wenig Freude bereiten und ein paar mehr Leser dieses "Ungeziefer" in Zukunft mehr zu schätzen wissen :)

 

Profile picture for user ConnyD
Makronist

Hallo Roland,

Wintermücken, vielen Dank für diesen Artenwissenbeitrag, ich hatte die Mücken bisher immer nur tanzen gesehen, wusste aber noch nicht wie sie heißen. In Schweden habe ich bei einem kleinen Silvesternachmittagsspaziergang mit der Canon EOSR und dem Trioplan100 auch ein paar Begleiter gehabt.

Viele Grüße aus Norddeutschland

Conny

In Schweden ist die Bevölkerungsdicht nicht so hoch, gilt das auch für Wintermücken?


 

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Conny,

nun ist dieser Thread vervollständigt worden mit schwedischen Wintermücken – dank Deiner Bildeinstellungen. Ich meine auch, im Tanz irgendetwas Keltisches ausmachen zu können. Aber vielleicht täusche ich mich da auch :-).

In Schweden wird sicherlich ein anderes Menschen/Wintermücken-Verhältnis bestehen als in Deutschland. Ich vermute mal, sehr zum Gunsten der Wintermücken...

Lieber Gruß,

Roland

Profile picture for user Gast
Erstellt von Rolf Fries (nicht überprüft) on Fr., 20/11/2020 - 23:17 Permalink

Vielen Dank für die interessanten Ausführungen!

Ich bin darauf gestossen nachdem ich diese Flugobjekte in unserem Garten fotografiert hatte und wissen wollte was es ist. Hier ein Beispiel (falls das Thema noch aktuell ist ;-) ).

Herzliche Grüsse
Rolf

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Rolf,

vielen Dank für die tolle Bildeinstellung. Natürlich ist das Thema immer aktuell :-)! Hier können jederzeit gerne Fotos ergänzt werden.

Auf "Deinen" Wintermücken liegt ein wunderschönes Licht. Es zeigt genau, zu welcher Tageszeit sie tanzen: bei tiefen Licht in der Abendsonne. Sieht klasse aus...

Liebe Grüße 

Roland

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo GerhardM,

vielen Dank für Deinen Beitrag.

Die Bestimmung von Mücken im Allgemeinen ist alleine anhand von Fotos nur sehr selten möglich; zu groß sind die oft winzigen Unterschiede unter den Arten. Dies trifft auch für die 12 in Deutschland vorkommenden Wintermückenarten zu.
Ich glaube nicht, dass es sich bei der von Dir fotografierten Art im "Efeuwald" um Wintermücken handelt, zumindest nicht um Trichocera hiemalis, die ich hier vorstelle. Im Habitus – so zum Beispiel bei der Form und Stärke des Abdomens – unterscheiden sich beide Arten doch recht deutlich.
Ob es sich um eine andere Wintermückenart handelt, kann ich nicht genau sagen, ich denke aber eher nicht. Wintermücken sind in der Regel schlanker im Körperbau.

Liebe Grüße 

Roland

Profile picture for user Gast
Erstellt von Edelgard (nicht überprüft) on Mo., 28/12/2020 - 16:34 Permalink

Hallo Roland,

weil ich im Internet nach der Mücke, die bei mir in diesem Jahr zum ersten Mal auftauchte, suchte, bin ich zufällig auf Deine Seite gestoßen. Seit ca. 3-4  Wochen habe ich viele Trichocera-Mücken um mich herum, d.h. sie kommen gerne ins Zimmer, wenn dort Licht brennt. Wenn ich die Türe geschlossen habe, setzen sie sich zwischen Fenster und Rollladen. Das Bild, das ich schicke, ist eine Momentaufnahme davon.

Ich kannte sie bis jetzt überhaupt nicht und wusste nicht, ob es eventuell Stechmücken sind. Jetzt habe ich sie gefunden und die schönen Tänze auf Deiner Seite und weiß auch, dass sie nicht gefährlich sind. Vielleicht sehe ich in Zukunft auch einmal einen Tanz, werde jetzt Ausschau halten.

Viele Grüße

Edelgard

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Edelgard,

das ist ja eine interessante Beobachtung und Geschichte, die Du da schilderst! Wintermücken im Haus, das hat was :-).

Wintermücken fühlen sich bei Kälte wohl. Deshalb zieht es sie Richtung Fenster ("zwischen Fenster und Rolladen"), sobald Du die Türe schließt; dort ist eine "begehrte" kalte Luftschicht.

Du wirst sicherlich bald ihren Tanz beobachten, denn sie scheinen ja in größerer Anzahl da zu sein. Achte an kalten, sonnigen Tagen auf Bereiche, in denen etwa kniehohe (auch niedrigere) Vegetation zu finden ist. Dort sitzen sie gerne und beginnen mit dem Tanz, wenn die letzten tiefen Sonnenstrahlen dort in die Vegetation leuchtet. Das Ganze beginnt vielleicht eine halbe bis eine Stunde vor Sonnenuntergang, auf jeden Fall erst, wenn die Sonne tief steht.
Diese (tiefen) Sonnenstrahlen sind Voraussetzung! Auf die musst Du achten. Im Schatten wird nicht getanzt. Sobald die Sonne untergeht, ist das Schauspiel vorbei – wie mit einem Schalter ausgeknipst :-).

Liebe Grüße 

Roland

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Rob,

sehr außergewöhnlich: eine Wintermücke, eingefangen mit dem guten, alten englischen Filmobjektiv Cooke Kinic 1.5/25mm.

Die Mücke liegt genau in der minimalen Schärfeebene der Blende 1.5, und das tolle Bokeh trägt zum gelungenen Gesamteindruck der Szenerie bei.

Tolles Foto!

Liebe Grüße 

Roland

Profile picture for user Rob
Makronist

Wintermücken-Paarung: Ich konnte dieses Verhalten heute zum ersten Mal genauer beobachten. Die beiden haben sich aus der Gruppe herausgelöst und ein ruhiges Plätzchen in der Hecke gesucht. Auffällig war, dass sich der Flugstil deutlich ändert, wenn sich 2 Wintermücken umarmen. Viel gleichförmiger und geradliniger. Mit f/5,6 konnte ich zwar den sehr nahen HG etwas beruhigen, habe aber die Schärfe etwas versemmelt. Ich denke man sieht dennoch, worum es hier geht ;-)

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Rob,

eine tolle Komplettierung des Themas. Danke für die Einstellung!

Es scheint sich um eine andere Wintermücken-Art zu handeln als Trichocera hiemalis, die ich oben im Post eingestellt habe. Diese hier haben ein deutlich dickeres Abdomen (Hinterleib). Anhand des Fotos kann ich sie aber leider nicht näher bestimmen.

Liebe Grüße 

Roland

Profile picture for user Rob
Makronist

Hallo Roland,

dankeschön! Dein Beitrag hat mich inspiriert, mich mit den Wintermücken zu beschäftigen. Es fasziniert mich, dass diese kleinen Wesen bei solch niedrigen Temperaturen fliegen können. Viele Spinnenarten sind darüber bestimmt auch froh und könnten den Winter sonst wohl nicht überleben.

Du hast völlig Recht, es ist nicht Trichocera hiemalis und auch keine der beiden anderen häufigen Arten. Ich habe eine genauere Bestimmung versucht, bin aber gescheitert. Wir müssen es bei "Wintermücke" belassen. Aus meiner Sicht zeigt diese Art aber ein recht ähnliches Verhalten. 

Schöne Grüße

Rob

Profile picture for user Gast
Erstellt von Heinz Egleder (nicht überprüft) on Sa., 29/01/2022 - 16:39 Permalink

Hi Roland,

sah gestern, 28.01.2022, nach milder Corona-Erkrankung + Quarantäne das erste Mal bewusst den "Tanz der Mücken" unter Apfelbäumen in Lübeck. Mich packte pure Freude + Dankbarkeit. Wollte das Erlebte aufschreiben, weil für mich einmalig; merkte dann aber bei meiner Internet-Recherche, dass der Mückentanz sogar schon in die Literatur eingegangen ist + bestens bekannt.

Für mich, Baujahr 1947 + in der Natur eigentlich zuhause, war dieses Wintermücken-Erlebnis wohl extra aufgehoben worden für diesen speziellen Augenblick nach dem Eingesperrtsein. Dass Mücken so beglücken, hätte ich nie gedacht!  

Apfel-Heinz

Profile picture for user Roland

ADMIN

Hallo Apfel-Heinz,

das ist ja mal ´ne tolle Geschichte: aus der Corona-Quarantäne zurück in die Freiheit und dort von tanzenden Wintermücken empfangen.

Ich kann Deine Begeisterung voll verstehen. Du hast die ergreifende Erfahrung gemacht, wie stark Begrenzung und Reduktion das menschliche Bewusstsein fördern. Die Wintermücken tanzen schon seit zigtausenden von Jahren – erstmals wahrgenommen hast Du sie nach der Reduktion durch die Quarantäne.

Ein Geschenk!

Liebe Grüße 

Roland

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich angezeigt. Deine Emailadresse ist nötig, um Dich über neue Antworten zu informieren.