Schmetterlingshäuser: Fun-Erlebnis-Naturspektakel aus der Retorte

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Gedanken zur Bedeutung und Reichweite (tropischer) Schmetterlingshäuser

Makronisten gehen gerne in (fast immer tropischen) Schmetterlingshäusern fotografieren. Dies ist nicht zuletzt an den zahlreichen Bildeinstellungen hier bei Makrotreff zu sehen.

Dafür gibt es Gründe: Hier flattern einem begeisterten Makronisten viele (vielleicht auch begeisterte :-)) wunderschön gefärbte Schmetterlinge um die Ohren, die er häufig aufgrund ihrer Gewöhnung an den Menschen gut anpirschen und dann möglichst noch besser fotografieren kann. Das macht Freude, unterstützt das Lernen von Makrofotografie und bringt bestenfalls sogar noch tolle Bilder hervor.

Schmetterlingshäuser und ihre beiden Seiten

Das ist gut

Häufig werden solche Schmetterlingshäuser stark in Richtung "naturschutzfachliche Aufklärung" bemüht. Da werden nachgebildete "Naturlebensräume" (in der Regel aus den Tropen), reichlich Informationstafeln und meistens Führungen geboten – alles sehr engagiert und lobenswert. Meist steht diesen Bemühungen gut klingend voran:

Bewusstseinsförderung der Bevölkerung für die Probleme in der Natur und unsere große Verantwortung hinsichtlich derselben.

Das ist weniger gut

Dennoch gibt es bei der ganzen Sache einen gefährlichen Beigeschmack, der uns zunehmend zum Verhängnis wird. Unsere Gesellschaft – damit meine ich jetzt mal in erster Linie die Mitteleuropäische, hier im Besonderen die Deutsche – ist gerade dabei, mit Volldampf ihre Naturlebensräume mit ihren vielen Tier- und Pflanzenarten zu zerstören. Und das ist bekannt; dafür gibt es genügend wissenschaftliche Studien und Beweisführungen, die dies belegen.

Die verbreitete derzeitige Reaktion von Seiten vieler unserer Politiker, aber leider auch von einigen Naturschutzverbänden und sogar akademische Einrichtungen wie Universitäten, geht dabei anscheinend zunehmend in die Richtung, dies zu akzeptieren. Das ist daran festzustellen, dass immer mehr Menschen bei uns ihren bisherigen Betrachtungsfokus ändern. Sie heben zunehmend die Natur in den Städten, Industriebrachen, Parks oder Ähnlichem hervor. Anscheinend sind die eigentlichen (Natur-)Lebensräume draußen außerhalb des besiedelten Bereichs aufgegeben worden.

Ein anderes Beispiel:

Neueste Untersuchungen belegen, dass vielerorts mittlerweile in Hausgärten mehr Tierarten leben als in der bewirtschafteten Feldflur. Infolgedessen sei es, so höre und lese ich immer wieder und immer öfter, wichtig, Hausgärten naturnaher zu gestalten – weil eben die Tiere in der Feldflur nicht mehr leben können.

Diese Logik ist falsch! Sie muss heißen: Die Landwirte sollen so wirtschaften, dass Tiere in der Feldflur wieder leben können!

Grundstückseigentümer haben eine Verantwortung den Tieren gegenüber, die auf ihren Grundstücken leben. Und über deren Leben bzw. Überleben können sie nicht einfach bestimmen, denn Tiere sind nach dem Gesetz "herrenlos" - sie gehören also auch nicht den Bauern, die ihre Felder bewirtschaften! Damit hinkt auch die mir gegenüber oft vorgebrachte Bauern-Rede "Ich kann auf meinem Boden tun und lassen, was ich will". Die Felder, besser gesagt die Produktionsflächen, unserer Landschaft spiegeln genau diese ver-rückte, aus dem Lot gebrachte Sichtweise wieder, mittlerweile für Jedermann sichtbar, der sich nicht vom grellen Gelb der Raps-Monokultur-Hochleistungsfelder im Frühjahr blenden lässt.

Das heißt natürlich nicht, dass es unsinnig ist, Hausgärten naturnah zu gestalten. Ungeachtet dessen, dass Hausgärten ohnehin nicht in der Lage sind, Qualität und Quantität des Artenspektrums unserer Feldflur aufzufangen, ist es aus ökologischer Sicht selbstverständlich immer sinnvoll, auch in einem Garten mit der Natur zu "arbeiten". Nur eben nicht aus der konstruierten Notwendigkeit heraus, dass unserer Tierwelt in der Feldflur der Garaus gemacht wird. Auf den Hausgarten als Retter in der Not spekulieren die Lobbyisten der konventionellen Landwirtschaft mit Freude – und frohlocken: "Dann können wir ja so weitermachen." Was bedeutet: ungehindert rücksichtslos ihre Bewirtschaftung "entsprechend der üblichen Praxis" fortzuführen – was wiederum beispielsweise bedeutet: weiterhin großflächige Verwendung von Neonicotinoiden und Glyphosat (Siehe hierzu BAD NEWS: Insektensterben! - Offener Brief der Freiburger Entomologen).
Das sind genau die Abläufe und Reaktionsmuster, denen ich seit Jahren bei meiner Arbeit immer wieder begegne.

Dieses Beispiel zeigt, wie unsinnig und fatal sich fehlgeleitete Wahrnehmungen auswirken können.

Ablenkung von den eigentlichen Problemen

Ich stelle bei meinen Arbeiten und Vorträgen immer wieder fest, dass sich keiner so richtig an die Lösung der eigentlichen Probleme herantraut. Hier haben die Lobbyisten der "industriellen Produktionsflächen der Feldflur" gute Arbeit geleistet. Die Landwirtschaft ist derzeit einer der Hauptverursacher des Artenrückgangs. Warum wird hier nicht endlich angesetzt? Warum lässt man den seit vielen Jahren vorhandenen Studien und Erhebungen, die alle in die gleiche Richtung weisen, keine wirksamen Handlungen folgen?

Anstatt dessen schaut man regelrecht weg, zieht sich freiwillig oder gezwungenermaßen in die urbanen Bereiche wie Städte zurück, baut irgendwo "Naturerlebnisparks" – und meint, damit könne man dieses Problem lösen. Oder will man sich selbst nur ablenken? Oder liegt gar eine kollektive Hilflosigkeit vor?

Tja, und diese tropischen Schmetterlingshäuser sind auch so Dinger, die da genau reinpassen. Sie entstehen überall, klären mittels schillernd bunter Schmetterlinge über den Artenverlust anderer Kontinente auf, sind super beliebt und werden infolgedessen gut besucht – während zeitgleich unsere eigene Natur erfolgreich weiter zerstört wird! Während die Lebensräume unserer heimischen Schmetterlinge rapide beseitigt werden!

Falsches Bewusstsein

Nun stelle ich etwas provokativ die Frage: Welches Bewusstsein wird bei den tropischen Schmetterlingshäusern gefördert? Sicher nicht das Bewusstsein über die Notwendigkeit, seine Zeit nicht freudig in tropischen Schmetterlingshäusern zu verbringen, sondern sich massiv für den Erhalt unserer Mitteleuropäischen Schmetterlings-Lebensräume einzusetzen. Denn die gehen zeitgleich und seit vielen Jahren immer weiter zurück – trotz zunehmend aus dem Erdboden gestampfter tropischer Schmetterlingshäuser.

Genau diese "Masche" ist in unserer Gesellschaft an vielen Stellen zu erkennen: Da wird irgendwo auf "Erlebnisebene" was "Natürliches" neu konstruiert, während parallel dazu unser heimisches biologisches Kapital den Bach runter geht. Die "neuen Konstrukte" werden gefeiert und gelobt, über das andere spricht man nicht, das verschwindet aufgrund dieser Ablenkung aus dem Bewusstsein der Menschen.

Bedeutung früher vs. heute

Früher hatten diese Schmetterlingshäuser einen sehr sinnvollen wissenschaftlichen und einen ergänzenden Aspekt: wissenschaftlich, weil hier über meist tropische Arten geforscht wurde; ergänzend, weil sie neben den eigenen Naturwerten, über die früher viel mehr informiert und aufgeklärt wurde, den Besuchern zusätzlich interessante Informationen über andere Naturregionen boten.

Heute wandeln sich solche Einrichtungen ihrer Bedeutung nach immer mehr in Richtung "Erlebnisparks" – mit äußerst gefährlichen Folgen für unseren eigentlichen Auftrag: den heimischen Naturschutz. In meinen Augen wird hier ein falsches, ein schädliches Bewusstsein gefördert, weil es ablenkt – ablenkt von unseren eigentlichen Problemen, von unseren massiv voranschreitenden, selbst durchgeführten Zerstörungen unserer wunderschönen und ökologisch wertvollen Naturlebensräumen. Deshalb stehe ich diesen Fun-Erlebnis-Naturspektakeln aus der Retorte eher skeptisch gegenüber.

Fazit:

(Tropische) Schmetterlingshäuser sind ein tolle Sache. Sie zeigen schöne Tiere und erklären ökologische Zusammenhänge der Region, die sie abbilden.

Sie dürfen aber nicht den Fokus der Naturschutzbetrachtung auf sich selbst reduzieren. Sie sollten nicht ihren Beitrag darin sehen, die aktuell zunehmende Tendenz zu verstärken, von den eigentlichen Problemen der hiesigen Lebensraumzerstörung und des Artenrückgangs abzulenken. Allzu leicht werden ihnen große Bewusstseins-Schärfungen unterstellt, die nicht vorhanden sind. Dies verdeutlicht schonungslos die Realität auf der freien Fläche. Beispiele solcher Instrumentalisierungen und Fehleinschätzungen mit fatalen Folgen gibt es zuhauf (siehe Beispiel der verqueren Hausgarten-Logik oben im Text).

Das ändert natürlich überhaupt nichts an dem Fakt, dass man in solchen Schmetterlingshäusern sehr gut das Fotografieren von Schmetterlingen üben und lernen kann – und dann hoffentlich auch mit guten Fotos belohnt wird :-).

In diesem Sinne wünsche ich weiterhin allen Makronisten schöne Schmetterlingsfotos,

Roland Günter

Kommentare

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Makronist

Hallo Roland,

ich hab gerade die Schmetterlingsfotos von Mainecoon angeschaut und kam dann zu deinem Beitrag hier, der ja so wie ich das verstehe etwas kritisch die Schmetterlingshäuser betrachtet. In dem Zusammenhang würde mich dennoch mal interessieren, ob all diese exotischen Arten außerhalb der Schmetterlingshäuser sprich in landwirtschaftlichen Flächen und natürlich Hausgärten eine Überlebenschance hätten, sind diese Arten unseren Klimaverhältnissen angepasst? Was würde nun konkret passieren wenn angenommen Strukturen geschaffen werden damit die Schmetterlinge sich ansiedeln können, nur die klimatischen Auswirkungen können wir dazu nicht beeinflussen, sind da letztendlich doch nur wenige heimische Schmetterlinge fähig zu existieren, oder verstehe ich da was falsch?

Gruß Sigi

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Hallo Sigi,

tropische Schmetterlingshäuser sind, wie der Name schon sagt, Nachbildungen tropischer Lebensräume. Sie werden klimatisch rund um die Uhr kontrolliert, 365 Tage im Jahr, angelehnt an tropische Verhältnisse. Ausgestattet werden sie mit unterschiedlichsten Pflanzen und Tieren – aus tropischen Ursprungslebensräumen.

Damit liegt auf der Hand, dass sich diese Lebensräume grundlegend von den Charakteristiken und Eigenschaften unserer heimischen, mitteleuropäischen Lebensräume unterscheiden; dies ist schließlich auch das Ziel.

Häufig dienen solche Einrichtungen Forschungszwecken und werden zusätzlich für Besucher geöffnet. Ihnen ist es dann möglich, mitten in Europa einen kleinen Blick durch ein tropisches Fenster zu werfen :-) – ähnlich einem Warmwasser-Aquarium mit Tropenfischen, das ebenfalls einen in sich abgegrenzter Kleinlebensraum darstellt.

Würde man nun in einem tropischen Schmetterlingshaus die Türe öffnen, hätten die meisten Falter eine maximal mehrtägige Überlebenschance – vorausgesetzt, sie finden außerhalb ihrer Arche Pflanzen, die sie (mehr zufällig) benaschen können. Dann leben sie vielleicht noch ein paar Tage länger als ein paar Tage. Eine Anpassung der tropischen Insekten an mitteleuropäische Pflanzen konnte ja nie stattfinden. Spätestens, wenn die kältere Jahreszeit oder vielleicht schon kalte Nächte kommen, werden sie sterben. Und eine Fortpflanzung wird wohl aufgrund mangelnder gleichartiger Partner, mangels Brutlebensraum und so weiter in keiner Weise möglich sein.

Also würde hier nicht gelten: Klappe zu – Affe tot, sondern Klappe auf – Falter hi.

Das ist aus diesen Gründen selbstverständlich auch überhaupt nicht vorgesehen!

Lieber Gruß,

Roland

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