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Bildwahrnehmung heute – eine Folge der Objektiv-Entwicklung der letzten etwa vier Jahrzehnte

Hallo Wiltrud,

da bist Du in guter Gesellschaft. Es ist eine seit vielen Jahrzehnten zunehmende Tendenz, sich vor allem oder sogar ausschließlich auf das Hauptmotiv zu konzentrieren. Für das Umfeld um das Hauptmotiv herum – in der Kunst spricht man vom "Negativraum" – gilt bestenfalls noch als alleiniges anzustrebendes Ziel die "Beruhigung". Eine weitestgehend möglich Homogenisierung soll das Hauptmotiv bestmöglich "freistellen" – insbesondere in der Tele-Fotografie.

Die (vereinheitlichte) Entwicklung der Objektive konditioniert uns seit etwa 40 Jahren in diese Bild-Wahrnehmung. In diesem Zeitraum sind annähernd alle Objektive überwiegend in Richtung Bildschärfe und Homogenisierung der Unschärfen getrimmt worden – mit der Folge, dass der Fotografenblick ebenso überwiegend bis ausschließlich auf das Hauptmotiv gerichtet ist – also dorthin, wo die Schärfe sichtbar wird, unterstützt durch die homogenisierte Unschärfe. Der Negativraum hat in hohem Maße bis komplett seine Eigenständigkeit verloren; er soll nur noch unauffällig dienen, bestenfalls bis zu seinem vollständigen Rückzug (Voll-Homogenisierung).

Dieses Vorgehen, diese Fotografen-Wahrnehmung verschenkt enorm viel Potential des Negativraums. Er kann wesentlich mehr zum Bild beitragen als ausschließlich das Hauptmotiv möglichst alleine glänzen zu lassen. Es stellt einen enormen Reiz dar, sich als Fotograf(in) dieses Negativraums wieder anzunehmen und seine vielfältigen Möglichkeiten kennenzulernen und anzukitzeln :-).

Die Vintage-Makrofotografie setzt hier in besonderem Maße an. Aufgrund der vielen verschiedenen, märchenhaft-malerischen Darstellungsweisen vieler unterschiedlicher Objektiv-Senioren wird der Negativraum zur Spielwiese, nicht mehr (nur) das Hauptmotiv. Er erhält eine wesentlich größere Bedeutung, als nur dem Hauptmotiv zu dienen; er erhält eine eigene Bedeutung, eine eigene starke Position bei der Komposition des Bildes. Natürlich sollte er in der Regel immer noch im "Hintergrund" bleiben, das Hauptmotiv also nicht dominieren; dies gilt es bei dieser neuen Art der Fotografie zu lernen. Aber seine deutliche Aufwertung kann dazu führen, ein Foto auf eine höhere Ebene zu heben, als dies bei vielen – oft auch sehr guten – Fotos der Fall ist, die mit modernen Objektiven und konditionierter heutiger Fotografensicht gemacht worden sind. Ist ist fast so, als käme bei den Fotos eine neue Dimension hinzu. Viele Makronisten sind, wenn sie dies einmal erleben, sehr erstaunt über dieses enorme Plus an Bildwirkung – und wollen kaum noch zurück zur klassischen Fotografie :-).

Trotzdem ist es natürlich auch möglich und sinnvoll, diese Ansätze beim Einsatz moderner, hoch korrigierter Optiken mit einzubeziehen. Auch hier ist, insbesondere was viele Bild-Hintergründe anbetrifft, oft noch eine Menge Luft nach oben :-). Hierzu müssen sich viele der heutigen Fotografen aber erst einmal ein wenig umkonditionieren und etwas anders fotografisch sehen lernen :-).

Liebe Grüße

Roland

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