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ADMIN

Etwas Theorie zum Malen mit der Kamera

Hallo Rob,

Du sprichst einige Dinge an, zu denen man eine ganze Menge Interessantes schreiben kann. Das mache ich jetzt mal :-):

Vom Zufall zur Absicht

Mir ist klar, dass manches von dem, was ich oben geschrieben habe, nicht in Deiner "vollen Absicht" entstanden ist; das ist sehr häufig der Fall. Aber dieser Umstand ändert nichts daran, dass es sehr hilfreich ist, im Nachhinein zu verstehen, warum bestimmte Dinge in einem Bild so oder so wirken. Auf diese Weise kommt man allmählich vom Zufall zur Absicht. Egal, wie das, was ich oben (be)schreibe, auf dem Bild entstanden ist, es ist da. Im nächsten Schritt geht es darum, dies zu erkennen und zu verstehen. Das ist mein Ziel... :-).

Alte Gläser und Licht

Du sprichst das Licht im Bokeh an und den Umstand, dass Du noch nicht genau weist, was es im Bokeh verursacht.
Das mit dem Licht ist bei der Vintage-Makrofotografie eine hoch interessante Sache. Du wirst mit der Zeit sehen, dass die Gläser vieler alter Objektive mit dem Licht völlig anders umgehen als moderne Gläser. Dies wird stark unterschätzt. Oft zaubern sie regelrecht mit dem Licht. Das geht häufig so weit, dass bei eigentlich so gut wie nicht vorhandenem Licht plötzlich in den Fotos ein ganze eigenartiges, ein total spannendes Licht liegt. Mit modernen Objektiven fotografiert, wären diese Fotos für die Tonne. Aber durch die alten Gläser geleitet, zaubern oft kleinste Spuren von Licht ein unfassbares Gemälde.

Rob, das ist eine neue Welt! Hier gibt es viel zu entdecken – und noch mehr zu bestaunen.

Randunschärfen und Sensorgrößen

Das mit der rapide abfallenden Randschärfe hast Du korrekt festgestellt. Dies ist nicht nur im größeren Abbildungsmaßstab der Fall, sondern generell.

Es handelt sich um ein C-Mount-Kameraobjektiv, und die sind völlig anders berechnet. Filmobjektive sind sehr häufig in der Mitte deutlich schärfer als am Rand (hier gibt´s natürlich auch wieder viele Ausnahmen, die das alles noch spannender machen – grins).
Bei vielen dieser Objektive kommt dann noch etwas Spezielles dazu. Sie wurden vor vielen Jahrzehnten vorrangig für ein bestimmtes Filmformat konstruiert – beispielsweise das Cooke Kinic für 16mm Film. Nun gibt es einige dieser Objektive – so auch das Cooke Kinic –, die etwas "großzügiger" konstruiert wurden, d.h. ihr Bildkreis würde größer angelegt als für die Abdeckung des 16mm-Films notwendig war.
Nun war natürlich den damaligen Ingenieuren bewusst, dass dieses Plus an Mehr-Glas außenrum letztendlich für die Bildgebung nicht relevant war. Entsprechend wenig Aufmerksamkeit widmeten sie der Glasqualität bei diesem "Überschuss", und entsprechend fehlerbehaftet war er. Und genau das ist es, was wir nun mit größeren Formaten als die früheren 16mm ausnutzen. Genau damit gestalten wir malerisch.

Manche dieser tollen Geräte sind sogar in der Lage, das deutlich größere APS-C-Format voll abzudecken, einige ganz wenige sogar Vollformat. Vielleicht kannst Du Dir wage vorstellen, wie groß die Möglichkeiten zum kreativen Malen sind!

Das Fotografieren ist bereits anders, nicht nur das Bildergebnis

Die Folge davon ist, dass man natürlich mit solchen C-Mount-Objektiven völlig anders fotografieren muss als mit Objektiven, die für die Fotografie entwickelt wurden, also Fotoobjektive. Hat man das gelernt, öffnet sich ein schier endloses Experimentierfeld. Und genau das zeige ich unter anderem bei den Vintage-Makro-Workshops. Aber Du kannst Dir vielleicht auch das Eine oder Andere durch Ausprobieren selbst erschließen. Wirst sehen, das macht einen Riesen-Spaß!

Auszugsverlängerung/Zwischenringe

Übrigens: Mehr als 10mm Auszugsverlängerung würde ich nur in Ausnahmefällen vor das C-Mount-Obi schrauben. Obwohl seine Schärfeleistung wirklich sensationell ist, ist irgendwann mal Schluss mit lustig, wenn man dieses für die Ferne konstruierte und optimierte Objektiv zu weit in den Nahbereich entführt; irgendwann lässt die Schärfeleistung logischerweise dann doch mal deutlich nach. Das ist das Gleiche wie bei modernen Objektiven.
Aus diesem Grund habe ich Dir nur zwei dieser schmalen Ringe empfohlen und beigelegt.

Vintage-Makro und "Klassisch"-Makro

Selbstverständlich ersetzt die Vintage-Makrofotografie, die wir hier unter anderem betreiben, nicht die klassische Makrofotografie mit modernen Objektiven. Auch ich fotografiere natürlich nach wie vor auch intensiv "klassisch" – und möchte und werde darauf auch nie verzichten. Viele Motive sind nach wie vor am besten mit unseren tollen modernen Objektiven ablichtbar.

Mit der Makrofotografie mit alten Objektiven erschließen sich vielmehr entweder völlig neue Motive, oder aber bereits bekannte Motive können in veränderter Form auf den Sensor gebannt werden. In der Regel spielt bei der Vintage-Makrofotografie der Aspekt der Kreativität eine verstärkte Rolle, während die klassische Makrofotografie beispielsweise top geeignet ist für die Abbildung kleinster Details oder zur Dokumentation von Tieren und/oder ihrem Verhalten – um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.
Du siehst in jeder Ausgabe der MAKROFOTO Beispiele solcher Einsatzbereiche moderner Makroobjektive. Die detaillierten Tier-Porträts, die ich dort in jeder Ausgabe einstelle, sind anders gar nicht machbar.

So genug geschrieben, nun wird wieder fotografiert :-).

Liebe Grüße 

Roland

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