Golddistel (Carlina vulgaris); © Roland Günter

Trioplan 2.8/100mm – Malen mit der Kamera

Lesedauer
8 minutes
Gelesen

Trioplan 2.8/100mm – Malen mit der Kamera

So., 21/10/2018 - 09:40
14 comments

Das Trioplan 2.8/100mm ist bekannt für seine charakteristischen Seifenblasen ("Bubbles"). Doch es kann noch mehr...
 

Olympus OM-D E-M1 Mark II; Trioplan 100mm/2.8; ISO 200; 1/1600s; Blende 2.8

Ein Kleeblatt, dessen Form nur durch die morgendlichen Tautropfen entlang der äußeren Blattkanten erkennbar ist. Dieses Foto zeigt die für das Trioplan 2.8/100mm typischen Spitzlichtkreise ("Bubbles") mit ihrer scharfen äußeren Abgrenzung und den innen liegenden Kreisbahnen.
 

Olympus OM-D E-M1 Mark II; Trioplan 100mm/2.8; ISO 200; 1/800s; Blende 2.8

Gemeiner Schneeball (Viburnum opulus); die zurückhaltend dosierten Bubbles unterstreichen die runde Form der Schneeball-Früchte.
 

Der Reiz der Bubbles

Das charakteristische Merkmal des Trioplans 100 – von Szenisten liebevoll Trio genannt – sind seine Seifenblasen ("Bubbles"). Durch sie ist das Trio berühmt geworden. Die meisten Objektive, auch moderne, können Blasen malen, insbesondere bei Offenblende. Die Bubbles des Trios jedoch sind tatsächlich recht individuell, sodass man sie aus dem großen Meer der vielen Seifenblasenabbildungen meist erfolgreich herausfischen kann.

Zu viel des Guten...

Obwohl bei der Wahrnehmung dieser Spitzlichtkreise große Unterschiede bestehen, sollten sie vorsichtig dosiert werden. Bei vielen Makronisten führt die große und verständliche Begeisterung für die Seifenblasen zu einem regelrechten Overpacen. Zu viele und/oder zu deutliche Blasen lenken schnell vom Hauptmotiv ab. Der Makronist sollte sich – wie bei der "normalen" Makrofotografie – fragen, was er dem Bildbetrachter primär anbieten möchte. Eine klare Definition des Hauptmotivs erleichtert das rasche Erfassen und Verstehen des Kunstwerks .

Hier ein Beispiel für zu viele und ungünstig verteilte Bubbles im Hintergrund. Sie erzeugen zwar eine schöne Bildstimmung, führen aber gleichzeitig zu einer großen Unruhe und lenken deutlich von der Springkrautblüte ab.
 

Olympus OM-D E-M1 Mark II; Trioplan 100mm/2.8; ISO 200; 1/800s; Blende 2.8

Zu viel des Guten: Die charakteristischen Seifenblasen lenken stark vom Hauptmotiv ab. Das Bild ist zu unruhig.; Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera).
 

Ein Objektiv-Klassiker mit vielen Eigenschaften

Doch dieser Dreilinser kann mehr als (nur) Seifenblasen. Bei homogenen Lichtverhältnissen eingesetzt (also ohne die Bubbles erzeugenden Spitzlichter) zeichnet es ein ebenfalls sehr charakteristisches, wunderschönes Bokeh. Je nach Entfernung der Hintergrundstrukturen zum Hauptmotiv kann es aufgrund der Blende 2.8 auch mal etwas wilder malen.
 

Olympus OM-D E-M1 Mark II; Trioplan 100mm/2.8; ISO 200; 1/1600s; Blende 2.8

Golddistel (Carlina vulgaris); in den verzerrten Darstellungen der kreisrunden Hintergrundblüten findet die Hauptmotivblüte ihre Widerspiegelung.

Klassisch für das Trioplan 100 sind die wolkigen Strukturen, die häufig an ihren Außenkanten helle Säume aufweisen.

Olympus OM-D E-M1 Mark II; Trioplan 100mm/2.8; ISO 200; 1/640s; Blende 2.8

Berg-Sesel (Seseli montanum); typisch für das Trioplan 100: die hellen, pinselstrichartigen Säume an den Rändern der charakteristischen wolkigen Strukturen und Linien.
 

Auch längliche Strukturen wie beispielsweise schmale Blätter, Gräser oder Pflanzenstiele umrandet das Trio gerne mit hellen Abgrenzungen – dem Versuch des Malers gleich, verschwimmende Hintergrundstrukturen mit dem Pinsel festzuhalten.


Olympus OM-D E-M1 Mark II; Trioplan 100mm/2.8; ISO 200; 1/1250s; Blende 2.8

Stechginsterartiger Igelpolster (Acantholimon ulicinum); ein Bild ganz ohne Spitzlichter. Die nach hinten zunehmenden Unschärfen bildet das Trioplan schon fast ein wenig impressionistisch ab.
 

Neben wilden Kreiszeichnungen, träumerisch wirkenden Wolkenstrukturen und schmissigen Pinselstrichen kann das Trioplan 2.8/100mm noch mehr: Für die Anwendung an Balgengeräten (oder sonstigen Auszugsverlängerungen) ist es zusätzlich in der Mitte teilbar. Der Objektivteil mit den Linsen wird auf ein Balgengerät geschraubt und ermöglicht so das Fotografieren im Nahbereich.

Somit ist das Trioplan 100 in der Hand des kreativen Makronisten ein vielseitig einsetzbares Objektiv, das deutlich mehr kann als (nur) Bubbles :-)!

Warum ein „gutes“ Trio so wertvoll ist...

Und leider gibt es noch ein „Leider“ zum Thema Trioplan: Es gehört nach meiner Erfahrung zu denjenigen Objektiven, die neben dem tollen Cyclop 1.5/85mm am stärksten von irgendwelchen Vorbesitzern verändert und/oder beschädigt wurden. Die meisten Triplan-Objektive wurden irgendwann einmal von irgendjemanden geöffnet, um sie zu säubern, Gläser zu tauschen oder einfach nur neugierig anzuschauen :-). Und viele dieser „Experten“ waren dann nicht mehr in der Lage, das gute Stück wieder korrekt zusammenzubauen. Ich habe sehr oft Linsendreher, vertauschte Linsen, ja sogar fehlende Linsen gesehen – um nur wenige dieser Glanzleistungen zu nennen. Ich könnte ein Buch darüber schreiben, was ich schon alles erlebt und gesehen habe bei den hunderten Objektiven, die ich für die Teilnehmer meiner Vintage-Makro-Workshops zur Nutzung und Abgabe gekauft habe!
Übrigens: Das Trioplan 2.8/100mm-Objektiv neigt stark zu einer Belag-/Nebelbildung auf den innenliegenden Glasflächen. Die meisten diese alten Objektive weisen einen mehr oder weniger starken Belag auf. Hier sollte man sehr achtgeben, absolut saubere Gläser zu erhalten, da jeglicher Nebel – auch sehr schwacher und für das Auge kaum erkennbarer Nebel! – je nach Lichtsituation zu einem diffusen bis flauen Bildeindruck führt. Da das Trioplan ohnehin kein Kraftpaket in Sachen Kontrast ist, wirkt sich das sehr negativ auf das Bildergebnis aus.

Hinzu kommt eine relativ große Serienstreuung innerhalb der damaligen Produktion. Das alles führt dazu, dass es Trioplan-Objektive mit hervorragenden und solche mit grottenschlechten optischen Eigenschaften gibt  – mit allen dazwischen liegenden Abstufungen. Am „schlimmsten“ sind dabei diejenigen Exemplare, die zwar recht gut abbilden, aber dennoch nicht ihr volles Leistungspotenzial zeigen. In diesen Fällen merkt der Makronist nicht, dass er unterhalb des eigentlich möglichen Potentials dieser hochwertigen Optik arbeitet. Einen stärkeren Schaden hingegen würde er wahrscheinlich sofort erkennen – und die Optik schnellstmöglich dankend seinem Verkäufer zurückgeben (falls eine Rücknahme-Option vereinbart war). Das Fotografieren mit leicht geschädigten oder schlechteren Exemplaren dieses tollen Objektivs endet jedoch schnell in einem großen Vintage-Makro-Frust.

All dies zusammen führt dazu, dass ich im Schnitt zwei bis drei Exemplare zurück an ihre Vorbesitzer schicke, ehe ich eins behalte.

Es gilt also das Motto: Makroauge sei wachsam beim Kauf dieser Vintage-Objektivperle!

Weitere und vor allem großformatige Fotos, die mit dem Trioplan 2.8/100 gemacht wurden, findest Du in unserer Zeitschrift MAKROFOTO Spezial – Vintage-Makrofotografie – unter anderem die Titelseite!

Anmerkung: Vom Trioplan 2.8/100mm gibt es verschiedene Versionen. Alles, was ich hier dazu schreibe, bezieht sich auf die Nachkriegsversion, die Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre produziert wurde. Andere Versionen weisen eine andere Abbildungscharakteristik auf.

Zum Vergleich Trioplan 2.8/100mm – Diaplan 2.8/100mm Projektionsobjektiv sowie Kommentar siehe unten.


Auch interessant:

- Sonderausgabe MAKROFOTO-Spezial – Vintage-Makrofotografie, Malen mit der Kamera

- Vintage-Makro-Workshops

- Beschreibung des Objektivs Cyclop 1.5/85mm

- Beschreibung des Objektivs Olympus OM 1.2/55mm

Roland Günter ist Betreiber von Makrotreff und Chefredakteur von MAKROFOTO. Der Dipl. Forst-Ingenieur betreibt die Makrofotografie hauptberuflich und verwaltet ein umfangreiches biologisch-wissenschaftliches Bildarchiv.

Der Kern seiner Arbeit liegt in der Dokumentation biologischer Vielfalt. Zu diesem Themenkomplex werden seit vielen Jahren seine Fotos und Reportagen im In- und Ausland in vielen gängigen Zeitschriften und Buchproduktionen publiziert.

Einen weiteren Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet die von ihm auf professionelles Niveau gehobene künstlerisch-kreative Vintage-Makrofotografie – also die Fotografie mit alten Objektiven an modernen Sensoren. Unter anderem hat er den einzigartigen Multivisions-Vortrag Fotografie mit Flair – Malen mit der Kamera konzipiert und neben anderen Events bei den Internationalen Fürstenfelder Naturfototagen vor großem Publikum gehalten.

Kommentare

Profile picture for user Sigi Weyrauch
Makronist

Hallo Roland,

genau darauf hab ich gewartet, solche beispielhafte Zeugnisse mit einem Altglas (Trioplan) und das vorgestellt mit den Feinheiten worauf es ankommt. Da kann ich mich nur reinsetzen in diese traumhafte Welt und Vielfalt der Natur.

Das ist der gelungene Einstieg zum Vintage Makro Workshop 2019 dazu wünsche ich jetzt schon gutes Gelingen.

Vielen Dank für die Anregungen

es grüßt Sigi

Profile picture for user Roland

ADMIN

Vintagen, bis der Arzt kommt!

Hallo Sigi,

danke für Deine lieben Wünsche zum guten Gelingen des Vintage-Makro-Workshops. Die Mindestteilnehmerzahl ist schon fast erreicht. Ich denke, er wird also stattfinden können.

Ja, bei diesem Workshop werde ich auf zahlreiche Charakteristiken vieler toller Vintage-Objektive eingehen. Da werden wir knietief einsteigen und die Objektiv-Sinioren ordentlich zum Klingeln bringen. Und wenn ich dann die Teilnehmer am Praxistag mit den guten alten Schätzen auf die Fotofläche loslasse, wird gevintaged, bis der Arzt kommt :-).

Egal wie, der Kreativität werden kaum Grenzen gesetzt sein. Ich freue mich darauf!

Lieber Gruß,

Roland

Profile picture for user Sigi Weyrauch
Makronist

Hallo Roland,

das freut mich besonders wenn inzwischen schon Interesse und Anmeldungen zum Workshop da ist,, bin mal gespannt auf das Feedback danach. Wie du weißt kann ich leider bei Workshop auf so lange Distanz nicht teilnehmen, aber dafür plane ich für 2019 nochmal im Vintage ein Einzelcoaching zur Erweiterung.

Viele Grüße Sigi

Profile picture for user Roland

ADMIN

Trioplan / Diaplan

Hallo Sigi,

das Diaplan ist ein Projektionsobjektiv, das angeblich über den gleichen Linsenaufbau verfügt wie das Trioplan 100. Im Netz kursieren überall Behauptungen, die Bildergebnisse seien gleich, was insofern ganz interessant wäre, als dass das Diaplan für deutlich weniger Euronen über die Theke rutscht.

Fakt ist: Das Diaplan ist günstiger zu bekommen. Allerdings muss die Erstellung eines Adapters noch dazugerechnet werden.

Fakt ist allerdings auch, dass das Diaplan (auch ein Dreilinser) vom Bildergebnis her zwar ähnlich wie das Trioplan 100, aber absolut nicht gleich ist. Es malt wilder, zeichnet deutlich mehr Flares, weil es sehr streulichtanfällig ist. Für machen Motive ist es sensationell gut, andere wiederum werden stark overpaced. Da wirken dann die erzeugten Strukturen zu wild. Sie können das Hauptmotiv stark überstrahlen.
Dieses Objektiv möchte gezähmt werden, und das ist gar nicht so einfach!

Fazit: Trioplan ist Trioplan, Diaplan ist Diaplan. Nix gleich, aber beides interessant – wobei das Diaplan eher einem Wildpferd gleicht... :-).

Lieber Gruß,

Roland

Profile picture for user Flora1958

MOD

Hallo Roland,

deine geniale Silberdistel hat mich heute morgen direkt in die Augen gestochen.:-)  Super ! Auch die anderen Bilder und deine Hinweise! Na, das wird was im Juni. Bin schon ganz gespannt.

Liebe Grüße

Gabi

 

Profile picture for user Thomi
Makronist

Hallo Roland,

die Golddistel hast Du ganz toll getroffen und umgesetzt. Wie sagst Du manchmal treffend: Ein Top-Foto!!

Ich hoffe dass ich mit meinem "Neu" erstandenen Trioplan 50 / 2.9 in Zukunft zu ähnliche Ergebnissen komme ;-).

Liebe Grüsse

Thomi

 

Profile picture for user Lutz Sternberg
Makronist

Hallo Roland!

Ein absolutes Highlight ist deine Golddistel, hier trifft das "Malen mit der Kamera" 100% zu, genau das ist es, was mich bei den alten Linsen so fasziniert, jeder Objektiv hat sein eigenen Charm, mal wilder, mal weicher, man besinnt sich mehr auf die kleinen Dinge und ich bin jedes mal erstaunt, was dabei herauskommt.

Gruß Lutz

Profile picture for user Adrian Scheel
Makronist

Danke lieber Roland für das schöne Portrait dieser feinen Linse! Für mich ein "Alleskönner", der von "Verträumt" bis "Rattenscharf" alles im Gepäck hat.

Hier ein weiteres, wie ich finde recht ansprechendes Beispiel ohne die manchmal ein wenig überhypten "Seifenblasen".

Hier noch ein zweites Bild das zeigen will, wie vielseitig diese Linse einsetzbar sein kann. Die Schärfe der Biene empfinde ich als wohl temperiert gepaart mit einer schmeichlerischen Zartheit im Bild- Gesamteindruck ;-)

Profile picture for user Gast
Erstellt von MichaelE (nicht überprüft) on Di., 06/11/2018 - 18:33 Permalink

Wieviel kostet das Ding inzwischen, 500€? Tipp: Für 10€ einen alten Filius-Diaprojektor kaufen, dort steckt ein Diaplan 80mm f/2.8 drin, nur haben das die Abzocktrolle noch nicht realisiert - die verkaufen das Diaplan ja inzwischen auch nicht mehr unter 40€. Beim Projektor ist dann auch gleich die Fokusschnecke dabei - absägen, rund feilen, z.B. M42/EF-Adapter ankleben, fertig.

Profile picture for user Pittore della Luce

Hallo Roland,

Ich habe vor einiger Zeit ein Trioplan erworben und bin begeistert von dem alten Schätzchen.

Dein Artikel hat mir ein paar neue Ideen aufgezeigt, wie ich das Objektiv noch weiter nutzen kann. Auch ohne die charakteristischen Bubbles zu erzeugen.

Werde dies mal versuchen umzusetzen.

Gibt es noch mehr solcher Tipps zu so berühmten und bekannten Linsen? Wäre interessant auch andere Objektive so kennen zu lernen.

Lieber Gruss

Andi

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich angezeigt. Deine Emailadresse ist nötig, um Dich über neue Antworten zu informieren.